Marokko - Der Westen

Wir sind in Marokko angekommen. Der Weg hierher war weit. 1400 Kilometer haben wir mit unserem VW Bus und Motorradanhänger bis Barcelona zurückgelegt. Dann folgten schier endlos lange 1200 Motorradkilometer bis an die Südspitze Spaniens.
Am Nachmittag des 25.09.2013 lugte dann urplötzlich der Felsen von Gibraltar hinter den letzten Hügelketten spanischen Festlandes hervor.
Diese Reise begann nicht wie die anderen zuvor. Schon in Barcelona bemerkte ich einen massiven Höhen- und Seitenschlag an meinem Vorderrad und ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wo ich mir das eingefangen habe. Also wurde schon zu Beginn das Rad so gut es ging zentriert und nun geht es ganz gut, etwa so wie auf einem Einzylinder, mit ganz, ganz groben Reifen und zu wenig Luft drinnen.
Claudia hat die lange Strecke gut getan und wir wagen es immer noch nicht hier ihre Motorradvita offenzulegen, einige würden uns dann für verrückt erklären.

Nach 35 Minuten Fährüberfahrt haben wir es uns noch für eine Nacht in Ceuta, der spanischen Enklave in Marokko gemütlich gemacht, kann man machen, muss man aber nicht. Die überschaubare Stadt bietet außer ein paar schönen alten Häusern und bei klarem Wetter einen Blick hinüber nach Gibraltar nicht viel. Was auch ganz toll ist, es gibt ein paar Hotels, aber keine Abstellmöglichkeit für Motorräder. Wenn sie doch da sind, blieben sie uns verborgen.

Heute morgen, 26.09.2013, war es dann soweit, nach einer problemlosen Grenzabfertigung öffnete sich das Tor nach Marokko. Schon auf den ersten Kilometern bin ich von unserer routingfähigen OpenStreetMap in Verbindung mit dem Garmin Zumo Navi begeistert. Selbst kleine Abzweige werden perfekt erkannt, das alles für 2,99 Euro, es geht also auch so.



Die Strecke führte uns zunächst direkt am Mittelmeer entlang und stieg dann schöner Kurvenführung in das Rif Gebirge auf. In der angenehm kühlen Luft liegt der Geruch von Pinien und Kiefern. Doch hier und da atmen wir einen markant süßlich, herzhaft aromatischen Duft ein, unverkennbar. Wir nähern uns einem der weltweit größten Anbaugebiete für Kif, wie dieses Produkt in der hiesigen Berbersprache heißt. Hieraus ist wohl auch die Tätigkeit abgeleitet, die bei uns zu Hause unter "Höchststrafe" gestellt ist. Unser erster Übernachtungsort Chefchaouen ist für zwei Dinge berühmt geworden, kiffen und die herrliche Medina, die mit ihren engen verwinkelten Gassen und den leuchtend blau gestrichenen Häusern, am Hang zu kleben scheint.



Überragt wird das Ganze von einer steilen schroffen Bergkulisse. Schöner und malerischer konnte unser Einstieg in Marokko nicht beginnen.

Heute steht eine lange Überbrückungsetappe auf dem Programm. Von Chefchaouen an die Atlantikküste, südlich von Casablanca, in die ehemals portugiesische Stadt
El Jadida. 450 Kilometer, ein langer Weg für Claudia. Über die südlichen Ausläufer des Rif Gebirges führt unser kurvenreicher Weg durch Schluchten, die von steilen Hügeln eingerahmt sind. Von der folgenden welligen Landschaft mit abgeernteten goldgelben Feldern ist hier und da am Horizont schon schemenhaft der Atlantik zu sehen. Das Claudia ein Viertel des Bremshebels fehlt, ist hier fast schon vergessen. An einem scharfen, engen Abzweig nach rechts, war sie in Schrittgeschwindigkeit einfach umgekippt.
Sie nimmt es mit Humor. Über Sieg und Niederlage entscheiden manchmal wenige Gramm und da fährt es sich mit einem Sportbremshebel einfach besser.


Kerzengerade rollen wir nun der Hauptstadt Rabat entgegen. Gesichtslose Ortschaften bieten in der topfebenen tristen Landschaft keine Abwechslung. Elend langsam kriechen vollbeladene LKW vor uns her, die es einen nach dem anderen zu überholen gilt. In den Orten die wir durchfahren stehen Fahrzeuge aller Art kreuz und quer, versperren den Weg oder wechseln unvermittelt die Richtung, überall wuseln Menschen auf der Fahrbahn herum. Unweigerlich fühlen wir und ein wenig nach Indien zurückversetzt. Jedoch nicht so anarchisch, nicht so rücksichtslos und fatalistisch.
Für die letzten 200 Kilometer Autobahn hält das Wetter noch ein ganz besonderes Schmankerl für uns bereit. Extrem böiger Wind, der uns zwingt  ständig gegen zu halten, um dann wieder schlagartig in den normalen Fahrzustand zu wechseln bis das Spiel nur Sekunden später von vorne beginnt. Mich erwischt es an den Koffern einmal so heftig, dass mein Hinterrad einige Zentimeter quer zur Fahrtrichtung über die Fahrbahn gedrückt wird. Alles um uns herum ist in mit braun gelbem Staub umgeben. Die dreieinhalb Millionenstadt Casablanca nehmen wir nur in diffusem Licht war. Fast gespenstisch ragen die Spitzen Hochhäuser aus der staubig, dunstigen Wolke heraus.


El Jadida ist eine geschäftige Stadt am Atlantik mit einer alten portugiesischen Bastion. Eine malerische, noch immer bewohnte Festungsanlage aus dem 16. Jahrhundert, mit engen Gassen, bunten Häusern und gelassen, entspannten Bewohnern.
Die Gassen der Medina laden zum Entdecken ein. Waren aller Art werden hier an den Mann und die Frau gebracht. Ein Markttreiben ganz nach unserem Geschmack.

 

Ein kleines holpriges Sträßchen führt uns Richtung Süden direkt am Atlantik entlang.
Wo es geht versuchen wir die Nationalstraße 1 zu meiden, obwohl diese auch sehr wenig befahren ist.
Sowieso machen es uns die Marokkaner leicht, im Straßenverkehr klar zu kommen. Alles läuft beschaulich, fast gemütlich ab. Kein Hupen, kein Drängeln, keine selbstgebastelten Regeln. Vielleicht trägt hierzu auch die massive Präsenz an mobilen Radarkontrollen, alles auf dem neusten Stand der Technik, bei. Hinter jedem Busch, hinter jedem Schild oder Mauer lauert diese Gefahr. Auf unseren bisher über 1000 Kilometern durch das Land, sind 60 oder mehr dieser Kontrollstellen nicht übertrieben. Selbst auf kleinsten Nebenstraßen sind die Herren fleißig bei der Arbeit.

Auf unserem Weg nach Essaouira ist der Atlantik zur unserer Rechten ein ständiger Begleiter. Mal fahren wir hoch oben, direkt an dunkelbraunen oder roten steilen Klippen entlang, mal direkt auf Meereshöhe, an endlos erscheinenden menschenleeren Stränden. Die Wellen des tiefblauen Atlantik brechen mit ungeheurer Wucht an die Steilküste oder vereinzelt im Flachwasser liegende Felsen und die aufschäumende Gischt wird vom starken Wind weit verteilt. Vielerorts sind ganze Küstenabschnitte mit diesen diffusen Schleiern überzogen. Alles scheint hier in ein mystisches Licht getaucht.
Die alte französische Festung von Essaouira besteht aus einem Gewirr von engen Gassen, düsteren halbrund überbauten Verbindungswegen, die oft in einer Sackgasse enden und zu vielen Tagestouristen, die in Bussen aus Marrakesch und Agadir herangekarrt werden. Der ganze Trubel nimmt der pittoresken Altstadt viel von ihrem Charme.
Erst Abends ist der Spuk vorbei und es kehrt wieder mehr Ruhe ein, dann tummeln sich wie eh und je einheimische Händler und deren Kundschaft in den Straßen und auf den kleinen Plätzen. Die, die in der Stadt geblieben sind können von den trotzigen Festungsmauern herrliche Sonnenuntergänge über dem Meer genießen.



Montag, 30.09.2013, es geht weiter, immer Richtung Süden. Die Landschaft wird karger, Hügel mit verdorrten Bäumen und leuchtend grünen Flusstälern prägen das Bild. In ständigem auf und ab, mal im Landesinnern, mal direkt an der Küste führt die Straße an Agadir, der letzten großen Stadt vor der Sahara vorbei.


Etwa 100 Kilometer weiter scheint man fast in der Wüste angekommen zu sein. Bereits hier wird Dakhla, die letzte Stadt Marokkos auf Schildern angekündigt. Auf dem Weg nach Mauretanien sind es bis dort durch die West Sahara noch 1150 Kilometer.
Unser Etappenort Sidi Ifni war ein alter spanischer Außenposten in der ehemaligen Kolonie Spanisch Sahara. Einst florierte hier der Sklavenhandel, dann wurde von hier aus das spanische Festland mit Fisch versorgt. Erst 1969 gaben die Spanier die Stadt wieder an Marokko zurück. Geblieben sind die Art déco Häuser aus den 30er Jahren des letzten Jahrhundert. Auf unser Hotel stammt noch aus dieser Zeit und es wurde versucht den Stil längst vergangener Tage zu erhalten.


Uns scheint es am Ende der Welt in einer anderen Zeit zu sein. Die Stadt wirkt mancherorts verlassen und thront hoch über dem Atlantik mit dem Blick ins Unendliche.