Iran

 

„Welcome to Iran“. Strahlend weiße Zähne grinsen uns an und der Grenzpolizist öffnet ein riesiges Vorhängeschloss, zieht die schwere Eisenkette aus dem gut drei Meter hohen Rolltor und öffnet dieses gerade so weit, dass wir mit Motorrad hindurch kommen. Die anschliessende Pass- und Zollkontrolle für das Motorrad ist dann innerhalb von 20 Minuten erledigt. Hier sind wir nun, in Iran. Alle Bedenken, die wir auf Grund von unbestätigten Meldungen noch drei Wochen zuvor hatten, sind verflogen. Man gestattet uns auch mit einem Motorrad über 250 ccm und mehr als einem Zylinder einzureisen.

Vorangegangen waren 2292 km in der Türkei und ein Szenario an der türkischen Grenze, wie es Karl May in „Durch das wilde Kurdistan„ hätte nicht besser schreiben können. Eine PKW- und LKW-Schlange von mehreren hundert Metern staute sich vor dem verschlossenen Grenztor auf der türkische Seite und schien sich vor diesem aufzubauen. Dazwischen fliegende Händler, Geldwechsler, so manche finstere bärtige Gestalt und ausreisewillige Kurden, denen man den Weg nach Iran versagte. Mittendrin eine orange KTM, Claudia, ich und unser Helfer, der uns von unserem Freund Kemal aus Dogubeyazit zur Seite gestellt wurde. Vor dem Grenztor stand eine Reihe schwer bewaffneter Soldaten, doch wie von Zauberhand öffnete sich dieses und wir konnten als einzige den Transitbereich betreten. Nach sechs verschiedenen Kontrollposten waren wir dann um einige Stempel in unseren Pässen reicher und mit Dank zur iranischen Grenze entlassen.

In Iran durchqueren wir die Halbwüste der Provinz West Azerbeijan und folgen dann einem breiten fruchtbaren Tal, begrenzt von kahlen Hügel- und Bergketten bis Tabriz. Die grosse Gastfreundschaft der Menschen auf dem Land wird uns etwa 120 km vor Tabriz bei einer Rast an einem kleinen Flusslauf zu teil. Ganz unverhofft steht ein Bauer ohne Schuhe und Strümpfe vor uns, übergibt uns einen riesigen Beutel mit Sonnenblumenkernen, lächelt freundlich und verschwindet wieder.

Aber nicht nur das bereitete uns grosse Freude. Denn etwas schockiert waren wir über die hohen Benzinpreise in der Türkei von etwa 1,60 Euro. So sieht hier die Welt ganz anders aus. Übersetzt läuft der Dialog beim ersten Tanken in Iran etwa folgendermassen ab. T= Thomas, TW= Tankwart.

T: Volltanken bitte.

TW: Gerne doch, das sind 17 Liter. Das macht 1,5 Euro.

T: 1,5 Euro pro Liter, so viel?

TW: Nein mein Herr, 1,5 Euro für 17 Liter.

In Tabriz ist dann unser angestrebtes Hotel leider belegt. Da wir uns schon über eine Stunde durch den dichten Verkehr gequält hatten sind wir dann auch nicht mehr wählerisch und mieteten uns in einer Mofaserxane, einer Herberge für Reisende ein. Diese Unterkünfte sind spartanisch, nicht gerade steril sauber, haben Toiletten und Dusche auf dem Flur, bieten jedoch saubere Bettlaken und Kopfkissen, in denen zuvor maximal 2 – 3 andere Personen geschlafen haben. Wir sehen uns seit einiger Zeit nicht mehr als Touristen, da wir nicht auf deren Wegen unterwegs sind, wir sind zu Reisenden geworden.

Am nächsten Tag steht dann eine 645 km lange „Verbindungsetappe„ von Tabriz nach Teheran auf dem Programm. Zunächst sind etwa 200 km auf einer von LKW stark befahrenen Landstrasse zu bewältigen, die durch grüne oasenartige enge Felsentäler führt. Ab Zanjan geht es dann auf eine dreispurige fast leere Autobahn, auf der wir mit 150 km/h der 18 Millionenmetropole Teheran schnell näher kommen. Die Iraner fahren nicht aggressiv aber völlig ohne Verstand. Ich bin froh, das chaotische Verkehrsverhalten der Inder und Nepali gut genug zu kennen, um mich hier einigermassen gelassen bewegen zu können. Im Strassenverkehr Irans ist ALLES möglich. Blinker werden nie gesetzt, überholt wird immer, trotz Gegenverkehr und an unübersichtlichen Stellen. Zwei Beispiele für die Anarchie im Strasseverkehr Irans sind folgende: Wir sind auf dem linken von drei Fahrstreifen auf der Autobahn mit gut 150 km/h unterwegs. Plötzlich kommen uns zwei Jugendliche auf Fahrrädern entgegen. Ein paar Kilometer weiter fahren wir auf der rechten Fahrspur. Hinter einer Kuppe rollt uns mit Vollgas ein PKW im Rückwärtsgang entgegen, der offensichtlich die etwa einen Kilometer zurückliegende Ausfahrt verpasst hatte.

Am 14.09.05 unternehmen wir eine etwa 200 km lange Rundfahrt durch das Albrozgebirge nördlich von Teheran, welches die Wasserscheide zum Kaspischen Meer bildet. Ziel war der Fuss des Damawand. Mit 5671 m ist dieser erloschene Vulkan der höchster Berg des Landes. In angespannter Erwartung sitzen wir abends in Teheran und freuen uns auf die folgenden Tage in der iranischen Wüste.

Am Morgen des 15.09.05 brechen wir von Teheran nach Esfahan auf. Etwa 60 km vor Qom tauchen wir dann zum ersten Mal richtig in die iranische Wüste ein. Von einer Hochebene führte die dreispurige gut befahrbare Autobahn hinunter in eine hügellose fast vegetationslose Senke. Etwa 100 km vor Esfahan durchfahren wir eine bizarr wirkende Fels- und Gebirgslandschaft. Die felsigen Pyramiden und Bergkämme sind in der Nachmittagssonne in ein facettenreiches warmes Licht aus Rot- und Brauntönen getaucht. Erst kurz vor Esfahan fangen unsere Augen wieder grüne Farbe ein. Die Stadt hat die grösste Population an islamischen Monumenten in Iran. Lange streifen wir abends durch die Stadt mit ihren Basargassen und dem wohl imposantesten Bauwerk, der Masdjed-e Imam. Die türkisfarbenen Fliesenverkleidungen mit goldenen Ornamenten heben sich durch die Beleuchtung klar vom tiefschwarzen Nachthimmel ab und tauchen die Moschee selbst und den grossen Platz davor in ein phantastisches Licht. Spät am Abend lassen wir dann den Tag in einem Teehaus unter den Bögen der goldgelb angestrahlten Si-o Se Pol Brücke ausklingen.

Am folgenden Tag fahren wir noch tiefer in die persische Wüste hinein. Hier an den südlichen Ausläufern der Dasht- e Kavir Wüste zeigt sich die Landschaft topfeben bis zum Horizont. Von Kilometer zu Kilometer wird es heisser. Die gut asphaltierte zweispurige Landstrasse führt über dutzende Kilometer schnurgerade durch die Einöde. Neben den vereinzelten, trostlosen und staubigen Ortschaften am Strassenrand entdecken wir immer häufiger alte verlassene Karawansereien. Diese Bauwerke, an der einstigen grossen transasiatischen Handelsstrasse, auf der schon Marco Polo unterwegs war, zeugen noch heute von der Bedeutung des Weges auf dem wir zunächst bis Yazd weiterfahren.

Motorradfahrer

Immer wieder erregen wir mit unserer KTM grosses Aufsehen, sei es nun in den Städten oder auf der Landstrasse. Dort winken uns aus vorbeifahrenden PKW und LKW, Männer, Kinder und auch tief verschleierte Frauen zu. Manche PKW-Führer begleiten uns parallel über mehrere Kilometer, um sich die Sache genauer anzusehen. Mit Handy, Foto- oder Videokamera werden wir aus Autos heraus fotografiert und gefilmt. Fahren wir in eine Stadt hinein, so sind wir innerhalb kurzer Zeit von einem Korso aus knatternden Mopeds und kleinen Motorrädern umringt. Man winkt, staunt und versucht im Fahren mit gebrochenem Englisch ein wenig Konversation zu betreiben.

Yazd

In Yazd übernachten wir im "Silkroad Hotel", stilvoll einer alten Karanwanserei nachempfunden. Im Innenhof, mit kleinem Garten und Springbrunnen fühlen wir uns nach dem Essen bei einer Wasserpfeife in die Zeit von 1001 Nacht zurückversetzt.

Die nächste Etappe führt über gut 370 km von Yazd nach Kerman. Seit Esfahan sind wir schon nicht mehr auf einer Autobahn unterwegs und das wird für die verbleibende Fahrstrecke in Iran auch so bleiben. Die recht gut ausgebaute Landstrasse durchzieht wie die Tage zuvor wechselnde Wüstenlandschaften. Hier am Westrand der Wüste Lut steigen die Temperaturen mittags nun auf weit über 40 Grad. Erst kurz vor Kerman, das auf etwa 1800 m Höhe liegt, werden die Temperaturen angenehmer. Die Provinzhauptstadt ist von Bergen bis 4100 m Höhe umgeben und bietet wie die von uns zuvor besuchten Städte farbenprächtige Moscheen und enge lebhafte Basargassen.

Strasse Bam

Nachdem wir am Morgen des 18.09.05 einen ausgedehnten Spaziergang durch den weitläufigen Basar von Kerman unternommen hatten und ich nun eine superbequeme landestypische Pumphose mein Eigen nennen darf, brechen wir nach Bam auf. Die Oasenstadt am Südwestrand der Wüste Lut ist für ihre Datteln berühmt. Bam und ihre alte Festung wurde im Dezember2003 bei einem schweren Erdbeben fast völlig zerstört. 35000 Menschen kamen dabei ums Leben. Mit der Zerstörung der ganz aus Lehm und Backsteinen gebauten Festung wird die Welt wohl eine der schönsten und eindrucksvollsten Wüstenstädte für immer verloren haben. Die Menschen, die die Katastrophe überlebt haben, leben teilweise immer noch in Zelten, Wellblechhütten oder einfachen Unterständen. Überall in der Stadt findet man noch heute eingestürzte Häuser. Deformierte Autowracks stehen wie hingeschwemmt in den Strassen. In diesem Elend lernen wir jemand kennen, der nie aufgegeben hat. Es ist Mr. Akbar, einst stolzer Besitzer eines gut gehenden Guesthouses, der wie die meisten hier innerhalb von Sekunden alles verlor. Mr. Akbar hat hier wieder das einzige Hotel eröffnet. Es besteht aus ein paar Wohncontainern mit aussen liegenden Duschen und Toiletten. In der Stadt ist aber immer noch ein gewisser Flair vorhanden, der erahnen lässt was Bam einmal war. In Mr. Akbars Containerhotel haben sich auch Marc und Emy aus England mit ihrem Landrover eingefunden. Sie sind auf dem Weg nach Australien. Da die Region, die wir in den nächsten beiden Tagen durchfahren wollen, als nicht sicher gilt, beschliessen wir im Konvoi zu fahren.

In der Grenzregion von Iran, Afghanistan und Pakistan treiben häufig Räuberbanden ihr Unwesen. Viele Balutschen bestreiten ihren Lebensunterhalt mit dem nicht offiziellen grenzüberschreitenden Handel, auch Schmuggel genannt. Benzin wird von Iran nach Pakistan gebracht. Drogen kommen aus Afghanistan über die grüne Grenze nach Iran. Häufig kommt es zu Feuergefechten mit den Sicherheitskräften. Von alle dem bemerken wir jedoch nichts und können ohne Probleme die iranisch-pakistanische Grenze passieren. Urplötzlich stehen wir dann von iranischem Asphalt kommend im pakistanischem Sand des Grenzortes Taftan.