Malaysia
Der malaiische Zollbeamte winkt uns einfach durch, kein Carnet oder nationales Zolldokument scheint hier von Nöten. Wir sind gespannt, wie dies seine Kollegen bei der Ausreise sehen. Die letzten Tage sind wir in Thailand ein wenig reisemüde geworden. Es mag vielleicht auch daran liegen, dass sich das Land verändert hat und wir nicht ganz das gefunden haben, was wir suchten. Mit Malaysia beginnt somit ein völlig neuer Reiseabschnitt. Keiner von uns kennt das muslimische Land in den Tropen. In Alor Setar richten wir uns für die erste Nacht ein. Das Zentrum der kleinen Stadt ist geprägt von begrünten Anlagen, alten Kolonialbauten und moderner Architektur. Im Zentrum von all dem ruht die Zahir Moschee, ein Gotteshaus wie aus tausend und einer Nacht.
Bei einem Spaziergang durch die Stadt werden wir von Vielen freundlich angesprochen und bekommen anders wie beim Nachbarn im Norden viel schneller Kontakt mit den Menschen. Die Strassenverhältnisse Malaysias müssen den Vergleich, zumindest hier im Nordwesten, mit denen in Europa nicht scheuen. Im Gegenteil, die Böschungen sind golfplatzartig gepflegt und mit prächtigen blühenden Büschen bepflanzt. Nach einer äusserst angenehmen Fahrt überqueren wir auf der 10 Kilometer langen Penang Bridge die Strasse von Malaka nach Georgetown. Diese Wasserstrasse war jahrzehntelang für ihre Piratenübergriffe berüchtigt, bis die somalischen Kollegen ihnen den Rang abnahmen. Georgetown wurde im 18. Jahrhundert von den Engländern als Handelsstützpunkt gegründet. Es gesellten sich Chinesen, Inder und Thailänder hinzu und die Stadt entwickelte sich zu einem multikulturellen und – religiösen Kleinod der frühen Neuzeit. Vieles davon ist erhalten geblieben und so sieht man noch heute neben einer alten Moschee eine erwürdige koloniale Villa, gleich daneben ein trotziges chinesisches Handelshaus und schräg gegenüber einen hinduistischen Tempel im südindischen Stil.
Mit dem heutige Völkergemisch, den alten Beuten und der Gelassenheit der Menschen, egal ob malaiischer Moslem, Hindu, Sikh oder Hanchinese, versprüht die Stadt einen unglaublichen Charme. Wir hangeln uns von einem Essenstand zum nächsten, hier eine chinesische Nudelsuppe, dort Süsses aus Arabien, da ein indisches Curry und frisches Obst gleich nebenan. Georgetown ist allein schon eine Reise wert. Malaysia hat doch viel mehr zu bieten als seine lange historische Vergangenheit. Die Mitte des Landes ist mit dichtem Urwald überzogen aus dem viele Berge bis weit über 2000 Meter herausragen. Dies soll das Ziel der nächsten drei Tage sein.
Noch bevor wir auf einer schmalen Strasse in den dichten, feucht heissen Regenwald hineinfahren, stellen wir fest, dass wir tausende Mitfahrer haben. Irgendwo in den Tiefen der Plastikteile der KTM haben sich winzig kleine Ameisen ein neues Zuhause geschaffen und ein Nest gebaut. Bei jeder Rast kriechen die kleinen Kerle aus allen Ritzen der KTM und fangen an, ganz ameisentypisch, diese mit lebenden Strassen zu überziehen. Eine Lösung des Problems und das Nest haben wir noch nicht gefunden, aber eins steht fest – die Ameisen müssen weg - . Wir fahren in die Cameron Highlands hinein. Dichter Urwald überspannt die kleine Strasse, die mit manchmal tückisch uneinsehbar sich verengenden Kurven gespickt ist. Am Wegrand stehen nicht Farnbüsche sondern Farnbäume. Mächtige Lianen reichen von den uralten Bäumen fast bis auf die Fahrbahn und die wilden Bananenstauden erreichen spielend eine Höhe von 5 Metern. Kleine Wasserfälle und Bachläufe rinnen über satt grüne bemooste Felsen hinab. Bald darauf wird es merklich kühler, was die Ameisen aus der heissen Ebene nicht besonders freuen wird. Rings um uns herum breiten sich riesige Teeplantagen über die sanften Hügel aus.
Hier oben auf über 1500 Meter hatten sich die Briten Sommerfrische, die Hillstations, aufgebaut, um der drückende Hitze des Tieflands zu entkommen. Oft entdecken wir noch alte englische Fachwerkhäuser mit den typische langen Kaminen versteckt im Wald. Die Cameron Highlands sind immer noch very British.
Unseren Ameisen ist die verhältnissmässig kühle Nacht gar nicht bekommen. Sie lassen sich nur noch vereinzelt blicken. Wir fahren wieder in eine drückend heisse Urwaldzone hinab. Über 70 Kilometer ist kein Dorf oder eine Ansiedlung zu sehen und die Fahrzeuge, die uns begegnen, können wir an zwei Händen abzählen. Je näher wir doch der Stadt Kuala Lipis kommen, desto mehr gerodeten Urwald finden wir vor. Flächen für die schier endlosen Palmölplantagen, die nun die Hügel des einstigen Regenwaldes bedecken. Malaysia deckt mit seinem Palmöl 44 Prozent des Weltmarktes ab, hierfür wurden von 1990 an über 2 Millionen Hektar Regenwald gerodet und ein artenreiches Ökosystem verschwand ganz einfach. So widersprüchlich es auch nach unseren mahnenden Worten gegen die Rodung des Waldes klingen mag, scheinen wir nach der kalten Nacht in den Camerons und einer ausgiebigen Schaumkur bei einer Wäsche der KTM den Ameisen den Gar ausgemacht zu haben. Wir können es einfach nicht zulassen, dass diese sich auf dem Rücktransport der KTM nach Deutschland bis ins Unendliche vermehren. Nordwestmalaiische Ameisen sind einfach nicht für einen urbanen Lebensraum in Deutschland bestimmt.
Einen Tag später stehen wir vor dem Taman Negara Nationalpark, dem ältesten Regenwaldgebiet der Erde. Auch hier reichen die Palmölwälder ganz provokativ bis an die Grenzen des Parks heran. Eigentlich wollten wir direkt im Park in einer vielfältigen Flora und Fauna übernachten, doch wir sehen keine Chance die KTM über den Sungai Tembling Fluss zu bringen oder ihn zu durchfahren. So bleibt uns nur eine ausgedehnte Tour in einem kleinen Boot tief in den Dschungel hinein und eine Nacht auf der anderen Seite des Flusses, ausserhalb des Parks.
Am 21.01. erreichen wir an der Ostküste Malaysias den winzigen Ort Cherating, der für seine einsamen Strände unter Kokospalmen im ganzen Land bekannt ist. Die extrem hohen Wellen in der Bucht bieten der internationalen Surfelite ein ideales Revier. Wir treffen bei Ebbe in Cherating ein und das Meer scheint tief zu schlafen. Keine Spur von riesigen, weiss schäumenden Brechern und sonnengebräunten Beachboys, die das Letzte geben, um die Wellen abzureiten.
Unsere Holzhütte befindet in unmittelbarer Strandnähe auf einem üppig grünen Gelände. Spät abends können wir gut einmeterfünfzig lange Varane beobachten, die behäbig auf Futtersuche direkt vor unserer Veranda herumschleichen. An unserem vorletzten Fahrtag wechseln wir von der Ost- zur Südwestküste. Ein wohl letztes Mal auf unserer Reise suchen wir uns einen schönen Pistenabschnitt mit roter Erde und dicht grünem Urwald aus, um die KTM noch einmal in ihrem Element zu bewegen.