Usbekistan

Tag eins in Usbekistan. Eigentlich sollte man solche aus seinem Leben streichen, aber es geht nicht.
Ich hatte es ja schon befürchtet, dass wir auf Grund des besoffenen Zöllners bei der Einreise nach Tadschikistan, bei der Ausreise Probleme bekommen und die hatten wir. Freundliche Minen, nette Begrüßung und die Frage nach der Zolldeklaration von der Einreise und schon ändert sich die Stimmung. Obwohl ich ein solches Schriftstück von dem Trunkenbold verlangt hatte, wurden wir ohne dieses vom Zollhof verwiesen. Es kostet uns fast zwei Stunden die Zöllner an der Grenze nach Usbekistan davon zu überzeugen, dass dort ein Kollege sitzt der dort nicht hingehört und dass wir von diesem keine entsprechenden Papiere erhalten haben. Nach einem Anruf an Zollstelle unseres Einreiseorts wird den Beamten schnell klar, dass sich alles so zugetragen hat, wie wir erzählt haben und man ist gnädig. Wir verlassen Tadschikistan ohne jegliche Zollkontrolle.
Nett und freundlich sind dann auch die Zollbeamten bei der Einreise nach Usbekistan, aber die wollen es genau wissen. Jedes einzelne Teil unsere Gepäcks, jeder Tablettenblister, jede Salbe, jedes Teil des Bordwerkzeugs, jede Socke und jedes noch so unscheinbare Teil wird akribisch untersucht und wir müssen unser gesamtes Gepäck in Einzelteile auf einer große Matte auf dem Boden ausbreiten.
Fast jede Datei aus unserem Laptop, der mobilen Festplatte, den Fotospeicherkarten und Mobiltelefonen werden durchgesehen, um festzustellen, ob sich dort pornografisches Material oder sonstige Daten befinden, die für das Land schädlich sein könnten. Hierfür gehen zwei Stunden ins Land und erst gegen 14.00 Uhr können wir mit den restlichen 320 km nach Qarshi beginnen.

Auf den nächsten 200 km folgen dann noch fünf Militär- und Polizeikontrollposten, bei denen akribischen die Pass- und Fahrzeugdaten erfasste werden. Hinzu kommen übelste Strassenverhältnisse, teilweise tiefe, weiche Sanddurchfahrten und Schlagloch auf Schlagloch. Schnell wird uns klar, dass er in der Dunkelheit in Qarshi ankommen werden und die Kilometer verstreichen nur im Zeitlupentempo.
200 Meter vor unserem Hotel in Qarshi überfährt ein PKW von rechts kommend die rote Ampel und streift Claudia. Als ich im schummerigen Licht in den Rückspiegel schaue, liegt sie und die BMW bereits auf der Strasse. Es sind genau die Momente bei denen sich die kleinen Härchen am Nacken aufstellen. Claudia hat Glück gehabt, bis auf ein paar Prellungen ist nichts passiert. Durch den Sturz wurde lediglich das Windschild an der BMW abgerissen und das Blinkerglas zerbrach. Der rechte Alukoffer ist ein wenig eingebeult, verhinderte vermutlich aber Schlimmeres.


Am nächsten Morgen ist der Schaden in einer Stunde behoben und wir machen uns durch eine monotone Steppenlandschaft auf den Weg nach Buchara, einer der großen Handelszentren und Knotenpunkt der alten Seidenstrasse.

Mitten in der Altstadt finden wir ein kleines Hotel mit einem wunderschönen Innenhof.


Wir sind umgeben von alten Koranschulen, Moscheen und Minaretten. Direkt vor unserem Hotel befindet sich Lab-i-Hauz, ein mit Bäumen gesäumtes Wasserbecken mit Springbrunnen und netten Restaurants.

Einen lang Tag schlendern wir durch die engen Gassen der Altstadt und gönnen den Motorrädern einen kleinen Service, bevor wir durch die Kyzylkum Wüste nach Chiva aufbrechen.
I
n Usbekistan herrscht ein Mangel an Bezintankstellen, da die meisten PKW mit Gas betreiben werden. Wie in einem schlechten amerikanischen Roadmovie gammeln verlassen und verrammelt die ehemaligen Tankstellen am Straßenrand vor sich hin. Daneben stehen modernste Anlagen, die Gas verkaufen.
Für uns teilweise ein Problem, gerade auf den folgenden 450 km von Buchara bis Chiwa.
Nach 100 km auf holpriger Strasse erreichen wir einen staubigen kleinen Ort mit einer noch staubigeren und heruntergekommenen Raststätte mit bröckelndem Putz und Wellblechdach. Verschlafen lugt eine Frau durch die Tür nach Draußen. Als ich nach einer Benzintankstelle frage, erhalte ich kurz und knapp nur ein "Njet" als Antwort und sie schlägt mir die Tür vor der Nase zu. Kurz darauf wird diese jedoch wieder geöffnet und 4 Fünfliter Speiseölflaschen werden vor meine Stiefel gestellt.

Der Inhalt riecht wie Benzin und verfliegt auch wie solcher auf den Fingern. Das sieht recht gut aus, nur auf dem Boden der Flaschen tummeln sich unzählige kleine und große Schwebeteilchen. Wenn man bedenkt, dass wir hier im Land bisher nur Benzin mit 80 Oktan bekommen haben, möchte ich mir nicht vorstellen wie gut, oder besser gesagt schlecht dieses Stöffchen wohl sein mag. Doch wir haben keine andere Wahl und kippen die Flüssigkeit durch eine Trichter mit Feingewebe in unsere Tanks.

Lege ich die "guten" 80 Oktan zugrunde, die sich noch in unseren Tanks befinden und nun mit dem "Irgendwas" hier gemischt werden sollte es gut gehen.
Nervös höre ich die ersten Kilometer auf jedes noch so kleine Motorengeräusch, doch alles ist wie immer, auch Claudias BMW scheint das Gemisch gut zu verarbeiten.
In sengender Hitze versuchen wir Slalom durch lange Schlaglochpassagen zu fahren und auch auf den Schotterabschnitten eine erträgliche Durchschnittsgeschwindigkeit zu halten. Vor uns, hinter uns, links und rechts ist nichts weiter zu sehen als eine topfebene Landschaft mit verdorrten kargen Büschen. Tauchen winzige nur drei Meter hohe Erhebung oder winzige rostrote Dünen in der Ferne auf, ist die Spannung kaum zu ertragen.

Auf dutzenden Kilometern sehe ich nur eine kerzengerade Linie auf dem GPS, das unseren Weg hier vorgibt. Als der ehemalige Asphalt dann so schlecht wird, dass wir uns auf die übelste Piste in Kirgistan zurückwünschen, taucht bei Kilometer 220 eine Fata Morgana auf. Eine regelrechte Autobahn mit zwei getrennten Fahrstreifen in jede Richtung. Auch hier leisten die Chinesen ganze Arbeit und haben mit dem Bau der neuen Strasse mitten in der Wüste begonnen. Nach 120 km ist dieser Spaß dann aber wieder vorbei und wir haben auf der restlichen Strecke bis Chiwa mit Schlaglöchern und losem Asphalt zu kämpfen.
Als wir einen Fluss überqueren weicht die trocken, heiße Wüstenluft einer kühlen feuchten Briese. Hier scheint es Wasser im Überfluss zu geben. Baumwoll- uns Maisfelder, Obstbäume und grüne Gärten säumen den Strassenrand. Am späten Nachmittag kommen wir am alten Stadttor der ehemaligen Wüstenmetropole Chiwa an.

Die Stadt entstand im 8. Jahrhundert und gleicht einer Filmkulisse aus Tausend und einer Nacht. Doch alles ist recht steril und zu aufgeräumt. Innerhalb der alten Stadtmauern leben noch einige Menschen in ihren Häusern.

Der Charme einer alten Stadt aus der Blütezeit der Seidenstrasse kommt aber nicht ganz herüber, hierfür fehlen abendlich belebte Strasse und auch ein wenig Unordnung und fremde Gerüche.

Eindrucksvoll ist es hier allemal, wenn man sich im Gewirr der Gassen bewegt und an jeder Ecke Motive entdeckt, die an längst vergangene Zeiten erinnern.


Unseren letzten Tag in Usbekistan lassen wir gemächlich ausklingen, das eine und  andere war noch an den Motorräder zu tun, nicht zuletzt die Suche nach Benzin in Speiseölflaschen auf dem Schwarzmarkt, um unsere Fahrt morgen zur turkmenischen Grenze sicherzustellen.
Wir denken mit Freude an unsere Zeit hier in Usbekistan zurück, es war ein wenig anders, als im Jahr 2007, aber mit den immer hilfsbereiten Menschen, die immer ein Lächeln herüberbringen, wird es trotz seiner teilweise trostlosen Landschaft und der reichen Kultur immer wieder einen Besuch wert sein.