Usbekistan

 

Wir wurden ja gewarnt……., nicht vor Usbekistan, gierigen Polizisten oder anderen undurchsichtigen Machenschaften, nein wir wurden lediglich vor Ali, dem Hotelbesitzer aus Tashkent gewarnt. In seinem Guesthouse treffen wir nach Mitternacht am 19. August ein. Das Haus ist total verschlafen, von Ali keine Spur, Glück gehabt.

19. August, 09.00 Uhr, Frühstückszeit. Ali heisst uns freundlichst willkommen und das Schicksal nimmt seinen Lauf. 4 Wodka und 2 Bier später brechen wir um 10.00 Uhr etwas benebelt zum Flughafen auf. Wir wurden ja gewarnt.

Per Mail wurde uns zugesichert, dass unsere KTM im Cargobereich abholbereit auf uns wartet. In Tashkent scheint jeder als Taxifahrer unterwegs zu sein. Wir stehen an der Strasse und kurze Zeit später fliegen wir in einem alten Lada mit 100 km/h Richtung Flughafen. Dort wurden wir enttäuscht, da der zuständige Beamte Sonntags nicht arbeitet. Wir müssen morgen wiederkommen.

Ein ganzer Tag vergeht bis wir dann endlich den Zollbereich mit unserer KTM verlassen dürfen. Es kostete viel Schweiss, das Motorrad aus der Transportkiste heraus fahrbereit zu machen. Es kostete noch mehr Nerven und Starrsinnigkeit, um den Angestellten der Usbekistan Airways davon zu überzeugen, dass er sein Gehalt von der Airline erhält und überhaupt keine Notwendigkeit besteht für seine Arbeit von uns 300, dann 150 und letztendlich 100 USD zu verlangen. Wir kommen mit dem Motorrad im Hotel an, ohne einen Dollar bezahlt zu haben. Ali besteht natürlich darauf unseren Erfolg gebührend mit Wodka und Bier zu feiern. Das Ende bleibt offen, wir wurden ja gewarnt.

Am 21.August verlassen wir Tashkent in Richtung Samarkand, endlich kann unsere Reise beginnen. Bei jeder Rast erregt unser Motorrad grosses Aufsehen und wir erleben die überschwängliche orientalische Gastfreundschaft der Usbeken. Auch von der Polizei sind wir angenehm überrascht. An den vielen Kontrollpunkten wurden wir unkompliziert und freundlich durchgewunken. Bisher kein Spur von den einst so gefürchteten Beamten Zentralasiens. Über weite Strecken lassen wir in der topfebenen Landschaft endlose Baumwollfelder an uns vorbeiziehen. Nachdem diese von einem riesigen, kahlen Gebirgszug unterbrochen wird, tauchen wir in die weite Steppenlandschaft Usbekistans ein und erreichen kurze Zeit später das sagenumwobene Samarkand, einstiger Knotenpunkt der Seidenstrasse.

Samarkand

Diese über 2500 Jahre alte Handelsmetropole hat auch heute nichts von ihrem Charme eingebüsst. Zwei Tage streifen wir zu Fuss durch die Stadt, wechseln ständig zwischen dem neueren Teil mit seinen grosszügig angelegten Alleen, Parks mit kühlen Fontänen, postsowjetischen Monumentalbauten und der Altstadt, mit engen verwinkelten Gassen, in denen sich hinter jedem Tor ein grüner Innenhof verbirgt, kunterbunten Basaren, trotzigen Medressen und Moscheen. Hier spürt man den Flair einer klassischen orientalischen Altstadt.

Am 23. August brechen wir in das 300 km entfernte Buchara auf. Die Strasse hat Autobahncharakter, die Fahrbahn ist mit Betonklötzen geteilt und führt schnurgerade über Land und durch triste Ortschaften. Seit langem wurde nicht für den Erhalt gesorgt und so muss Thomas immer auf der Hut sein, um Schlaglöcher zu umfahren und tiefen Längs- und Querrillen auszuweichen. Unser in Samarkand neu abgestimmtes Fahrwerk ist jedoch perfekt eingestellt. Trotzdem erfordern die auf unserer Fahrspur immer wieder entgegenkommenden Eselskarren höchste Konzentration. Benzin ist nur selten mit 93 Oktan erhältlich und so müssen wir uns fast immer mit 80 Oktan begnügen, für die hier nicht unüblichen 76 Oktan fehlt uns der Mut. Klaglos verdaut unsere KTM auch diesen minderwertigen Kraftstoff und führt uns kurz vor Buchara in ein über 40 Grad heisses Wüstengebiet.

Im Labyrinth der engen Gassen der Altstadt Bucharas suchen wir nach unserem Hotel. Als Claudia absteigt, um nach dem Weg zu fragen, wird sie von einem Mann gepackt und in ein Haus gezogen. Mit einem “ Please, please come in “ werde auch ich aufgefordert zu folgen. Ich betrete ein altes Gewölbe mit einem Backsteinfussboden und kann gerade noch erkennen, wie Claudia an eine Bank mit einem reich gedeckten Tisch gebeten wird. Als ich neben ihr sitze lüftet Hueseyn, “ der Kidnapper” mit einer unmissverständlichen Geste sein Geheimnis. Der stolze Vater zweier Söhne feiert heute mit dem gesamten Familienclan, der sich neugierig um uns versammelt hat, die Beschneidungszeremonie der Kleinen und hat uns kurzerhand von der Strasse weg als seine Gäste ausgewählt. Wir sind umringt von bunt gekleideten Frauen, in traditioneller Tracht, und blicken in alte sonnengegerbte Männergesichter, in deren Münder unzählige Goldzähne blitzen. Ohne Pause reicht man uns Brot, Pferdesalami, köstlich milden Schafskäse, gedünstetes Gemüse, Salate, Trauben und Kuchen. Wir sitzen am Tisch der Männer und nach jedem Bissen wird ein Glas Wodka gefüllt. Man bittet uns hinauf in die gute Stube, um die kleinen Patienten an ihrem Ehrentag zu fotografieren. Danach beginnt das Essen-Wodka-Spiel von vorne. Als wir zu orientalischer Musik dann noch zum Tanzen aufgefordert werden, ich nach dem zehnten Wodka aufgehört habe zu zählen, versuchen wir freundlich dieser Füllerei zu entfliehen. Man lässt uns nur sehr ungern nach einigen Abschiedsschnäpsen ziehen. Als sich unsere KTM mit mir und Claudia den Weg zum Hotel sucht, denke ich nur: “ Hiervor hat uns keiner gewarnt.”

Der Abend gehört uns ganz alleine und wir streifen im warmen Licht der Abendsonne über die prächtigen Höfe der Moscheen, umrunden stolze Minarette und die blauen Kuppeln der Medressen. Hatte uns Samarkand schon fasziniert, so haben wir hier das Gefühl jeden Augenblick einen fliegenden Teppich vor unseren Augen heranschweben zu sehen.

Buchara

Am 25.August verabschieden wir uns aus Buchara und fahren zum ersten Mal in östliche Richtung unserem Ziel Kathmandu entgegen. Kurz nach der Stadt beginnt die Karshi-Steppe, die eher einer Wüste gleicht. Über viele Kilometer führt die Strasse hier kerzengerade durch die ebene Einöde, die von unzähligen Überlandleitungen, Strommasten, Pipelines, Öl- und Gasfeldern durchzogen ist. Schon weit am Horizont erkennt man die Schornsteine, an denen überschüssiges Gas abgebrannt wird. Wir rasten in tristen Siedlungen und kommen am frühen Nachmittag in der Wüstenstadt Karshi an. Hier nächtigen wir in einem der alten staatlichen Hotels, in ultrasterilem, jedoch sauberen Ambiente. Der nächste Tag führt uns ins Ungewisse, denn über den Weg nach Denau, der Grenzstadt nach Tadschikistan, konnten wir keine Informationen erlangen. Landschaftlich ist diese Etappe unerwartet ein Highlight. Urplötzlich tauchen aus der heissen und staubtrockenen Ebene geschwungene Sandberge auf, die sich in unendlicher Kurvenvielfalt harmonisch aneinander und hintereinander reihen. Die Karte verspricht eine äusserst schlechte Strasse, mit dem Eintrag in der Legende “Nur teilweise befestigt”. Wir sind überrascht, dass wir auf durchwegs neuer Asphaltdecke, das nun beginnende Kurvenspiel in weiten Bögen, in sanftem Auf und Ab durch ein immer höher aufsteigendes Wüstengebirge geniessen können. So gut es geht, versucht Thomas den sportlichen Charakter unserer KTM, trotz der hohen Zuladung auszureizen. Dennoch bleiben wir unserer Devise treu, nicht auf Sieg, sondern auf Ankommen zu fahren. Im staubigen Wüstensand sitzen Frauen und Kinder am Fahrbahnrand und bieten eimerweise bildschöne Äpfel und Melonen an, wir fragen uns, wo die Menschen hier diese wunderbare Obst anbauen. Nach vielen herzlichen Begegnungen mit der Bevölkerung treffen wir in Denau ein. Das wohl einzige Hotel “Denau” hier, könnte aus Stalins Zeiten stammen. Seit Jahrzehnten wurde hier nichts mehr unternommen, um den Bestand des Hauses zu erhalten. Der Treppenaufgang ähnelt einem uralten deutschen Amtsgerichtsgebäude, an dessen Wänden der alte weisse Lack der Holzvertäfelung sichtlich gelitten hat. Uns umgibt eine Aura aus morbidem sowjetischem Charme, pikant gewürzt mit der Offenheit orientalischer Lebensweise.

Beim Durchstreifen des Basars wird uns bewusst, dass wohl kaum ein Ausländer hier Station macht. Neugierig werden wir auf der Strasse beäugt, ohne Gnade im Restaurant zu Wodka eingeladen, mittlerweile muss uns niemand mehr warnen.

Unterwegs

Wir verabschieden uns vorerst von Usbekistan. Auf dem Weg von Tadschikistan nach Kirgistan dürfen wir in diesem Land noch einmal Gast sein, Gäste bei unglaublich freundlichen, zuvorkommenden, offenen und herzlichen Menschen. Auch die Staatsmacht begegnet uns auf Schritt und Tritt äusserst korrekt, angenehm und positiv wissbegierig. Wir haben dieses Land schätzen gelernt. Auch der Grenzübertritt verläuft ohne grössere Probleme, obwohl es etwas am Zolldokument, welches uns bei der Einreise in Tashkent ausgestellt wurde, zu beanstanden gab. Unser mitgeführtes Carnet de Passage hat hier in dieser Region keine Gültigkeit und so werden für die KTM nationale Zollpapiere ausgestellt.