Nepal
Um es vorweg zu nehmen, das Wetter hat sich zwar gebessert und gibt sogar den Blick auf den Kanchenzönga mit über 8000 m der höchste Berg Indiens frei, dennoch ziehen bei der Abfahrt von Darjeeling in das westbengalische Tiefland immer wieder Wolkenfetzen geisterhaft über die Bergkämme. Wir durchfahren etliche steil an den Bergkämmen klebende Teeplantagen, die bis in das Flachland reichen.
In einer dichten üppigen Vegetation aus riesigen Bananenstauden und kleinen Ananasfeldern erreichen wir die indisch-nepalesische Grenze. Wie aus dem Dschungelbuch überqueren Arbeitselefanten mit ihren Führern die Fahrbahn und Affenbanden spielen und raufen im Gestrüpp. Die Grenze müssen wir zwei Mal passieren, da der indische Beamte ganz offensichtlich zwei Tage verschlafen hat und statt dem 13. Oktober, den 11. Oktober als Ausreisedatum in unseren Pässen vermerkte.
In Nepal finden wir uns in einer anderen Welt wieder. Die Strassen sind mit bestem Asphalt belegt und der Verkehr läuft viel geordneter, ruhiger und rücksichtsvoller ab als in Indien. In Dharan am Fuss der Hügelketten der Himalayaausläufer übernachten wir in einem einfachen und sauberen Hotel. Heute jedoch spüren wir, dass auch in Nepal nicht alles in Ordnung ist. Drei Mal werden wir von maoistischen Aktivistengruppen angehalten, die seit über zehn Jahren, zunächst im Untergrund kämpfend, an die Macht kommen wollen und gegen die hiesige Monarchie vorgehen. Diese Auseinandersetzungen führten in der Vergangenheit temporär zu buergerkriegsähnlichen Zuständen. An der Strassensperren versuchen nun diese Wegelagerer und Müsiggänger von uns einen Wegzoll für ihre Sache zu erpressen. Wir entwickeln zwei Gegenstrategien.
1. Dumm stellen, was uns nicht schwer fällt, und nur in Deutsch mit diesen Typen reden und Thomas hat ihnen einiges erzählt. Englisch – nix verstehen – entnervt lässt man und nach einigen Minuten fahren.
2. Einfach die 100 PS über das Hinterrad auf die Strasse bringen.
Beides funktioniert perfekt. Aber auch in Nepal wundern wir uns, was und vor allem wie Dingen auf den Strassen transportiert werden. Zwischen den Hügelketten und dem indisch-nepalesischen Tiefland durchfahren wir üppig grüne Wälder auf schnurgeraden Strassen und sehen Reisfelder, die nach Süden bis an den Horizont zu reichen scheinen. Immer wieder unterbrechen Flussläufe von Norden aus den Höhen des Himalaya kommend diese harmonisch grüne Einheit. Vom vergangen Monsun, der in diesem Jahr auch in Nepal wieder viele Menschenleben forderte, ist nichts mehr zu sehen. Nur noch Rinnsale fliessen durch die breiten Flussbette, die in der Regenzeit tiefe Schneisen in den dichten Dschungel gerissen haben. Hetauda ist der letzte Übernachtungsort vor unserem Ziel Kathmandu. Lange sitzen wir am Abend zusammen und lassen die letzten 60 Tage, die über 10.000 km, beschissene und saubere Toiletten, speckige und frische Kopfkissen, Hitze über 45 Grad und Temperaturen weit unter Null, harte Pistenabschnitte und glatter Asphalt, Einsamkeit und Millionenstädte, Elend und Überfluss, Verkehrsteilnehmer in suizidaler Absicht, Wüsten und sattes fettes Grün, Höhen von über 4700 m bis fast an den Meeresspiegel an uns vorbeiziehen. Einige Male hatten wir Hunger und grossen Durst oder genossen eine abwechslungsreiche und reichhaltige Küche. Die Begegnungen mit den Menschen unterschiedlichster Kulturen, Religionen und Sprachen waren jedoch das Salz in der Suppe, sie waren durchweg positiv, beeindruckend und lehrreich. Wir sagen heute nach ( 2005 mit eingerechnet ) über 23.000 km auf Asiens Strassen können wir nicht nur Glück gehabt haben, es muss auch mit an den Menschen liegen.
Über die alte Hetauda Passstrasse, durch unzähligen Kurven, durch Regenwald und winzige Ortschaften, in denen die Zeit stehen geblieben scheint, schrauben wir uns auf eine Höhe von über 2500 m. Kathmandu liegt nur noch etwa 25 km Luftlinien entfernt. Wieder einmal hüllen sich die Eisriesen des Himalayas in Wolken als wollten sie sich vor uns verstecken. Als wir einen Wegstein entdecken und ihn zu unserem Ankunftsbild ernennen, wissen wir den langen und manchmal harten Weg durch Asien, von der Seidenstrasse in den Himalaya auch wirklich bewältigt zu haben. Es ist schön in Kathmandu die alten Freunde wieder zu treffen und so endet der erste Abend spät in der Nacht. Leider können wir nicht wie geplant noch einige Motorradtouren in Nepal unternehmen, die instabile politische Lage führt hier schon seit Monaten anhaltend zu einem massiven Benzinmangel und so sind Wartezeiten von 6 – 8 Stunden an einer Tankstelle keine Seltenheit. Zweites Problem ist der wahre Feiertagsrausch in Nepal. Bald beginnt das Dashain Festival und dieser Feiertag dauert hier nun mal eine geschlagene Woche, daran lässt sich auch nicht rütteln. In dieser Zeit ist der Zoll im Cargobereich des Flughafens geschlossen. So sind wir gezwungen schon zwei Tage nach unserer Ankunft in Kathmandu die KTM mit einem lachenden und weinenden Auge per Luftfracht nach Deutschland zurück zu schicken. Hierdurch haben wir jedoch noch genügend Zeit Kathmandu mit seinen schönen Plätzen, der verwinkelten Altstadt und das Umland intensiv zu besuchen. Kathmandu übt eine so grosse Faszination aus, so dass man sich hier leicht Wochen aufhalten kann. Die Stadt ist ein wahres Einkaufsparadies für schrille Bekleidung, die man eigentlich nur hier tragen kann, 100% “echte” Markenware führender Alpinausstatter, buddhistische und hinduistische Sakralgegenstände, Musik-CD’s natürlich alle “original”, Silber- und tibetischer Edelsteinschmuck, diesmal wirklich original, Buddhafiguren in allen Grössen und Formen, die ganze Palette der hinduistischen Götterwelt in Bronze, Holz oder auf filigranen Bildern gebannt, Haschisch, Marihuana und, und, und….
Der Stadtteil Thamel bietet eine unüberschaubare Anzahl an Restaurants, Gartencafes und Dachterrassen mit internationaler Küche und live Musik mit Blick auf den Himalaya. Hier findet man möchtegern Hippies, Bergsteigeridole, Aussteiger und Hängengebliebene, reiche Europäer mit Goldrandbrillen, die in Luxushotels absteigen und zu Hause von ihren wahren Begegnungen in Nepal erzählen, aber auch das Elend und die Armut des Subkontinents. Es gilt versteckte Schreine und heilige Tempel zu entdecken. Die Verbrennungsstätten am Baghmatifluss und die grossen buddhistischen Stupas von Bodnath und Swayambunath laden zum Verweilen ein, vermitteln einen Hauch Exotik und geben tiefe Einblicke in die Religionen voller Götter, Dämonen und geheimnisvoller Rituale.
Wir besuchen das Waisenhaus der Nepalhilfe Beilngries, die wir seit nun 9 Jahren mit unserer Hilfsorganisation Kinderhilfe Nepal unterstützen, und sind wie immer von den neuen Ideen und Weiterentwicklungen bestehender Projekte begeistert. Kinder, die wir vor Jahren hier als Kleinkinder kennengelernt haben, sind mittlerweile zu jungen Erwachsenen geworden, die in diesem armen und politisch instabilem Land eine grosse Chance für eine bessere Zukunft erhalten haben. Hier in Kathmandu treffen wir noch einen heiligen Mann im perfek orangefarbenen KTM-Outfit, der sich von uns gegen einen geringen Obolus (was nicht sehr fromm ist) überreden liess, sich mit uns für unser Abschlussbild der Silk Road 2007 ablichten zu lassen.
Morgen besteigen wir ein Flugzeug, das uns wieder in ein “geregeltes” Leben, mit Verkehrsvorschriften, die auch wirklich beachtet werden, zurück nach Hause bringen wird.
In den letzten Wochen durften wir wieder einmal über den Tellerrand hinausschauen und unseren Focus erweitern. Allen, die uns dies ermöglicht haben, sicher und ohne eine Schramme am Motorrad wieder Heim zu kehren, gilt ein grosses Dankeschön. Wir freuen uns auf unser nächstes Abenteuer.
NEPAL – einfach faszinierend
- Nepal ist Indien light – der ideale Einstieg für Reisen auf dem Subkontinent.
- Möchten Sie Lehrer, Richter und Rechtsanwälte der Studienjahrgänge 68, 69, 70 sehen, die bei Livemusik ausgelassen auf die guten alten Lieder von The Rolling Stones, CCR, The Doors und Santana auf einer Dachterrasse tanzen, ja, Sie müssen nach Kathmandu kommen.
- Hier jagt ein Feiertag den Anderen.
- Motorrad fahren vor der Kulisse der höchsten Berge der Erde, bester Asphalt, wenn gewünscht Pisten ohne Ende…….. fahren Sie gerne Motorrad, wieso nicht hier?
- Die innenpolitischen Probleme und die aufkommende Kriminalität auf europäischen Standart haben das Land noch nicht gänzlich verdorben, das Land lebt noch von der Offenheit, Toleranz und Herzlichkeit der Bevölkerung – NOCH – kommen Sie nicht zu spät.
Wir kommen wieder, ob zum Bergsteigen oder zum Motorradfahren, denn für uns ist Nepal einfach faszinierend.